Caritas und ForumZFD in Sarajevo

30. September 2019 0 Von admin

Stella in Sarajevo 

Stella war 2017/18 mit uns für ihren freiwilligen Friedensdienst in Sarajevo und hat bei der Caritas und dem ForumZFD gearbeitet. Hier berichtet sie von ihren Erlebnissen. 

Anfang März. Wir sitzen im Café Ayna und tauschen den neuesten Klatsch und Tratsch aus. Der bosnische Kaffee auf dem Tisch vor uns verbreitet einen angenehmen Geruch. Tourist*innen schlendern durch die Straßen der Altstadt. Manche von ihnen haben ihre Wintermäntel schon gegen Frühlingsjacken getauscht, die Härtesten von ihnen tragen überhaupt keine mehr. Eine Großfamilie mit sechs Kindern versucht, in dem kleinen Café auch noch einen Platz zu erwischen. Die Sonne scheint.

Nachdem ich aus Berlin wieder zurück in Sarajevo angekommen war, erwartete mich auch schon mein erster richtiger Besuch aus Deutschland. Als ich meiner Freundin so die Hotspots der Stadt zeigte und mit dem Finger mal nach rechts, mal nach links wies, um sie auf Besonderheiten aufmerksam zu machen, bemerkte ich, wie gut ich mich eigentlich mittlerweile auskannte. Wo gibt es die besten Torten, wo das günstigste Bier, wo hat man den besten Blick über die Stadt und wo sollte man hingehen, wenn es mal etwas edler sein soll. Doch nicht nur die Stadt und ihre Angebote sind mir vertraut. Nein, auch die politische und gesellschaftliche Situation wird mir immer klarer. Während ich vor neun Monaten nur vage wusste, was für Konflikte in Bosnien und Herzegovina herrschen, habe ich heute schon ein viel umfassenderes Bild. Auch das war schön zu erkennen.

Ostern. Auf dem Tisch in der Stube meiner Oma werden alle möglichen Köstlichkeiten aufgedeckt. Obwohl mein Bauch schon bis zum Anschlag gefüllt ist, kann ich nicht widerstehen und stecke mir genussvoll eine “Mađarica” in den Mund. Morgen wird mir meine Oma zeigen, wie man den bekannten “Štrudle od jabuka i sira” (Strudel mit Apfel- und Käsefüllung) backt.

Zur Osterzeit bin ich wieder nach Kroatien gereist, um dort erst in der Hauptstadt Zagreb Urlaub zu machen und dann schließlich weiter in den Norden, zu meiner Oma zu fahren. Die Tage waren mal wieder geprägt von Essen, Essen und nochmal Essen. Dennoch war es für mich auch eine neue Erfahrung, da ich Ostern bisher immer nur in Deutschland gefeiert hatte. Zum Osterfrühstück gibt es hier die Tradition, dass sich jeder ein gekochtes Ei aussucht und dieses dann gegen das Ei seines Tischnachbarn stößt. Wessen Eierschale dann noch nicht gebrochen ist, kommt eine Runde weiter und tritt gegen den Nächsten an, der noch ein heiles Ei hat. Der, der am Ende das Ei mit noch intakter Schale hat, gewinnt. Man mag es sich vielleicht schwer vorstellen, aber dieses Spiel ließ den ganzen Tisch mitfiebern und in Jubel und Tränen ausbrechen.

Anfang April. Die Sonne scheint mir ins Gesicht und ich ärgere mich, dass ich meine Sonnenbrille zu Hause vergessen habe. Ich liege am Ufer des Neretva-Flusses und versuche das Mittagessen zu verdauen. Neben mir liegt mein Bruder und beobachtet den Brückenspringer. Letzterer lässt sich von der großen Brücke fallen und verschwindet mit einem Platscher im glasklaren Wasser. Es sind 23 Grad. Die Bäume sind mit weiß-rosa Blüten geschmückt und verströmen den Geruch von Frühling.

Als nächstes Projekt stand der Besuch meines Bruders an, der sich relativ spontan ergeben hatte. Nachdem er einen Eindruck Sarajevos und meines Lebens dort bekommen hatte, durfte ein Tagesausflug in die nahgelegene Stadt Mostar natürlich nicht fehlen. Wir hatten großes Glück mit dem Wetter. Anstatt drinnen mit einem heißem Tee, saßen wir draußen und tranken erfrischende Cedevita. Der Frühling begrüßte uns mit offenen Armen. Die Leute, von denen man in den Wintermonaten nicht viel gesehen hatte, trauten sich wieder auf die Straßen. Ausgelassenes Vogelgezwitscher und vollere Straßen stehen seitdem auf der Tagesordnung. Die ganze Stadt bekommt wieder Farbe und Leben. Den Anblick von Inliner-fahrenden Jugendlichen und gemütlich schlendernden Spaziergängern hatte ich schon fast vergessen. Die Tage werden länger und lassen die ganze Stadt endlich aus ihrem Winterschlaf erwachen.

8 Uhr 02. Ich blicke auf die Uhr und beschleunige meine Schritte, weil ich mal wieder zu spät dran bin. Aus einem mir entgegen kommenden Auto winkt mir eine Mutter lächelnd zu. Ich winke zurück. Das Gebäude des Kindergartens sehe ich schon vor mir, ich habe es also gleich geschafft. Um 8 Uhr 08 stehe ich fertig umgezogen parat auf der Matte und beginne meinen Arbeitstag.

Die ganzen Abläufe im Kindergarten sind mittlerweile Automatismen. Frühstück, Jutarnji Sastanak, Spielen, Deutschunterricht, Mittagessen, Kinder ins Bett bringen, Deutschunterricht, Pause, Užina, Feierabend. Alles ist völlige Routine und wie selbstverständlich in meinen Zeitplan eingebaut. Bis jetzt gab es einen Kolleg*innen-Wechsel, zwei Kinder haben unsere Gruppe verlassen und eines ist hinzugekommen. Ansonsten ist alles beim Alten. Auf den Fluren werde ich von den älteren Kindern immer stolz auf deutsch mit “Guten Tag” begrüßt, was sie beim Deutschunterricht gelernt haben. Ich muss zugeben: es lässt mich schmunzeln, wenn ich sehe, wie sie sich freuen, etwas auf Deutsch sagen zu können.

In meiner anderen Arbeitsstelle, dem Forum Ziviler Friedendienst, ging es in der letzten Zeit eher ruhiger zu. Dennoch werden ab jetzt erste Vorbereitungen für den Sommer getroffen, da es dort mehrere Projekte gibt, die realisiert werden. Das bedeutet viel Papierkram. Aus diesem Grund freue ich mich aber um so mehr auf den Sommer, wenn es dann soweit ist.

Vitamin D. Durch die Zeitumstellung werden die Tage länger, was einiges verändert. Man kann wieder Sonne tanken und viel mehr draußen unternehmen. Insgesamt kann ich sagen, dass die Zeit erst recht jetzt im Frühling rasend schnell vorüber fliegt. Von dreizehn Monaten sind jetzt nur noch vier übrig, die vor uns liegen. Ich glaube, ich habe da was nicht mitbekommen… Wo sind die ganzen vergangenen Monate hin? Ich habe so viel erlebt und doch so wenig. Dennoch steht die letzte Passage noch vor mir.

 

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